Aktive Lautsprecher oder passive Lautsprecher: Vorteile und Nachteile
Es gibt zahlreiche Diskussionen über das „richtige“ Lautsprecherkonzept, und meistens trifft man auf apodiktische Haltungen. So ist die Frage, ob aktive Lautsprecher oder passiver Lautsprecher verwendet werden sollen, mehr eine politische Einstellungssache als differenzierte Abwägung der Fakten. Man lese nur die zahlreichen Threads in den einschlägigen Foren.
Nicht zuletzt gibt es mit der Plattform aktives-hoeren.de eine Netzheimat für die Aktivfraktion, während im Hifi- oder Analogforum die Passiv-Jünger dominieren. Dabei gibt es unumstößliche Fakten und Argumente, anhand derer sich jeder ein eigenes Bild machen und darauf seine Kaufentscheidung aufbauen kann.
Grundeigenschaften und -probleme von aktiven UND passiven Lautsprecherkonzepten
- JEDES Lautsprecherkonzept ist ein Kompromiss. Der ideale Lautsprecher ist eine Punktschallquelle und nur theoretisch darstellbar.
- Je weniger Wege, desto besser? Hier scheiden sich die Geister, warum gäbe es sonst z. B. Hornsysteme mit 4 bis 5 Wegen? Ja warum eigentlich – das ist die entscheidende Frage: Denn jeder zusätzliche Weg ist ein weiterer Kompromiss. Jeder Übergangsbereich stellt ein neues Problem bzw. eine Fehlerquelle dar in Bezug auf zeitrichtige und homogene Wiedergabe. Mehr Wege können aber auch von Vorteil sein, weil die Chassis nur in ihrem jeweiligen Spezialgebiet zur Geltung kommen. Die Basswiedergabe im Raum ist meist deutlich besser mit Subwoofern. Aber nur dann, wenn diese zeitrichtig eingemessen sind (was nur aktiv geht aus meiner Sicht und Erfahrung). Von daher meine pauschale Wertung: je weniger Wege, desto besser bei Passivlautsprechern. Bei aktiven kommt es drauf an :-)
- Größe macht Größe: es mag erstaunlich sein, welche Effekte mittlerweile aus Lautsprechern mit kompakten Abmessungen kommen. Fakt ist aber, dass sowohl aktive als auch passive Konzepte davon profitieren, wenn eine entsprechende Membranfläche vorhanden ist. Die alte Weisheit „Membranfläche ist durch nichts zu ersetzen als durch noch mehr Membranfläche“ hat schon ihre Richtigkeit. Wobei aktive Konzepte durchweg mehr Möglichkeiten bieten.
Passive Lautsprecher: was bedeutet eigentlich „passiv“?
Beim passiven Lautsprecher wird die extern zugeführte elektrische Signalspannung (des notwendigen separaten Verstärkers) in Membran-Auslenkungen umgewandelt. Dabei führen die Signale vom Anschluss-Terminal über Kupferdrähte (ein anderes Thema) zur Frequenzweiche, die sich im Lautsprecher befindet. Manchmal ist sie auch ausgelagert in einem separaten Gehäuse.
Was macht die Weiche?
Die Weiche teilt das Signal in die verschiedenen „Wege“ auf, und zwar mittels verschiedener Filtertypen, z. B. Hochpass. Das heißt, dass die hohen Frequenzen passieren/vorbei gehen, die tiefen also weggefiltert werden. Tiefpass bedeutet logischerweise das genaue Gegenteil. Zu guter Letzt führt ein weiteres Kabel von der Weiche zu den verschiedenen Treibern oder Chassis.
Die passive Weiche: Lösung und Problem zugleich
Die passiven Frequenzweichen sind der wesentliche Kompromiss bei diesen Konstruktionen. Gerade bei tiefen Frequenzen gibt es Probleme: Der Verstärker hat mit hohen Induktivitäten und Kapazitäten zu kämpfen, zumal sich die Frequenzbereiche gegenseitig beeinflussen. Es ist viel Wissen und Erfahrung nötig
- um die stark schwankenden Impedanzen zu korrigieren,
- Phasenfehler im Übergangsbereich zu minimieren (Lösungsansätze sind z. B. der Versatz der Chassis oder „Schlittenkonzepte“, die auch die jeweilige Abhör-/Sitzhöhe berücksichtigen)
- sowie die einzelnen Treiber mit Kompensationsfiltern zu entzerren.
Nur so erreicht man einen möglichst linearen Frequenzgang (oder auch nicht, wenn bewusst gesoundet werden will). Trotz dieser Kompromisse gibt es gute passive Lautsprecher; leider nur wenige, die die Bezeichnung „High End“ oder „Ultra High End“ verdienen. Aber: das passive Konzept kann auf die qualitative Spitze getrieben werden, die logischerweise ihren Preis hat. Viele passive Lautsprecher sind aber nicht mehr als Wühlkorbware und haben mit solch ausgeklügelten Konstruktionen nur das Grundprinzip gemeinsam – mehr nicht.
Aktive Lautsprecher: was bedeutet eigentlich“aktiv“?
Zunächst einmal unterscheidet man bei aktiven Lautsprecherkonzepten zwischen:
- „analog aktiv“
- „aktiv mit digitaler Frequenzweiche“ und
- „aktiv mit digitaler Frequenzweiche und DSP Entzerrung“.
Der aktive Ansatz
Beim aktiven Konzept teilt eine aktive Frequenzweiche VOR der Leistungsverstärkung die Frequenzen in mehrere Wege auf (auch hier meist in Tief- Mittel- und Hochtonbereich). Jeder Weg bzw. jeder Treiber wird dann von einem (hoffentlich!) dafür optimierten Endverstärker angesprochen. So kann die gesamte qualitative Leistung des bzw. der Verstärker verlustfrei an das jeweilige Chassis gelangen.
Und zwar mit hoher Kontrolle (gerade im Bassbereich enorm wichtig) und hoher elektrischer Membran-Bedämpfung. (Einen hohen Dämpfungsfaktor, welcher bei passiven Konzepten leider bereits in der Frequenzweiche eliminiert wird, erkauft man sich mit sehr teuren Verstärkern.)
Die aktive Weiche – mehr als eine Alternative
- Die aktive Frequenzweiche agiert im hochohmigen Niederspannungsbereich deutlich genauer als eine passive und niederohmige Frequenzweiche.
- Chassis und Frequenzbereiche beeinflussen sich nicht gegenseitig.
- Kleine Signale lassen sich elektronisch viel präziser filtern als auf der Ebene von ein paar Hundert Watt, was „gröbere“ und kompromissbehaftetere Werkzeuge verlangt.
- Bei kleinen und mittelgroßen Aktiv-Systemen ist die gesamte Elektronik in die Lautsprecher eingebaut: also Weiche, Endstufe und Spannungsversorgung. Das ist platzsparend und reduziert den Gerätepark. Wobei die Elektronik aber eventuellen Vibrationen ausgesetzt ist. Die Signaleingänge (Cinch- oder XLR-Buchse sowie ggf. digitale Eingänge wie SPDIF) sowie Netzanschluss befinden sich bei dieser Variante direkt an einem der beiden Lautsprecher. Bei manchen gibt es eine Ein-/Ausschaltautomatik, die einerseits recht praktisch ist, manchmal auch nervt.
- Bei großen Systemen (z. B. meinem Aktiv-System von Merovinger Audio oder die großen Genelecs) wird allein schon wegen der Größe und Qualität der Elektronik alles in separaten Verstärkern untergebracht. Technisch sicher die Königslösung, aber man braucht eben Platz für den/die Verstärker. Vorteil aber: man hat bei der Verstärkerwahl Freiheiten
Analoge Aktiv-Weichen
Analoge Weichen gibt es schon sehr lange, und einige echte High End Lösungen wie von Bryston sind auch dabei. Das Musiksignal liegt analog an und wird mit analogen Schaltungen und Filtern in mehrere Wege aufgeteilt. Vom Prinzip her wie die oben beschriebene passive Weiche, allerdings ohne Spulen (die brauchen aktive Filter nicht) und VOR den Endverstärkern.
So versucht man, die größten Probleme passiver Lautsprecher erst gar nicht entstehen zu lassen: Es gibt keine getrennten Bereiche, die sich gegenseitig im Hochspannungsbereich beeinflussen. Und es gibt keine Bauteile zwischen den Verstärkern und den Lautsprecherchassis, was zu besserer Kontrolle und Leistungsausbeute führt.
Die nächste Evolutionsstufe: „Aktiv mit digitaler Frequenzweiche“:
Die digitale Revolution hat auch den High End Audio Bereich erreicht. Während vor 10 Jahren noch viele Analog-Digital- und Digital-Analog-Wandler hörbare Defizite aufwiesen, ist heutzutage (verblindet) kein Unterschied bei der Wandlung auszumachen bzw. herauszuhören. Vorausgesetzt, es sind wertige Gerätschaften am Start.
Auch bei der Frequenz-Aufteilung für die Lautsprecher bietet das digitale Konzept Vorteile:
- Es können beliebige Flanken-Steilheiten mit 6, 12, 18, 24 und sogar 48 dB pro Oktave erzielt werden. Trinnov Amethyst, Altidude 16 etc. verfügen z. B. über Linkwitz Riley und Butterworth Filter dieser Ausprägungen.
- Die Abstimmung kann mit wenigen Klicks angepasst und optimiert werden, ohne Lötkolben, Widerstände und Spulen schwingen zu müssen. So zum Beispiel die Lautstärke-Steuerung verschiedener Wirkungsgrade verschiedener Chassis.
- Schalldruckverlauf und – im Idealfall – die Phase (also die zeitliche Achse der Frequenz-Ausgabe) können angepasst werden – oft automatisch mit verblüffend guten Ergebnissen. Und natürlich kann hier gleichzeitig der Raum mit entzerrt werden.
- Unterschiedlich tief liegende Chassis können mit Delays ausgeglichen und auf die Abhörentfernung im Raum angepasst werden.
Viele sagen: das Einmessen von Lautsprechern ist kompromissbehaftet, weil das ja NUR für den Sweet Spot optimiert ist. Nun ja, eben genauso kompromissbehaftet wie das Stellen passiver Lautsprecher und die Auswahl des Sweet Spots. Aber: bei digital-aktiven Konzepten kann man beliebige Messpunkte festlegen und so den Bereich „aufdehnen“ bzw. schnell zwischen Optimierungen auf verschiedene Plätze optimieren.
Ein Nachteil wäre dann aus meiner Sicht, dass eine unendliche Spielwiese entsteht, die einen manchmal vom einfachen Genuss der Musik abhalten kann. Hier hilft entsprechende Charakterstärke. Oder man beschäftigt sich nicht selber mit der Thematik, dann aber auf keinen Fall meine umfassenden Trinnov-Tutorials auf Youtube ansehen :-)
Welche Gründe gibt es dann noch für den Kauf eines passiven Lautsprechers?
Wie oben beschrieben, gibt es tolle passive Lautsprecher am Markt, vor deren Entwicklern man den Hut ziehen darf. Und es gibt ein paar Argumente pro Passiv-Konzept:
- Man ist bereits stolzer Besitzer von Vor- und/oder Endstufen- Preziosen und einer nicht gerade günstigen Verkabelung derselben. Und man hat auch weiterhin vor, das Hobby HiFi mehr als dauerhafte Gerätespielwiese denn als Mittel zum Zweck (Rundum-Sorglos-Paket für beste Musikwiedergabe) zu verstehen. Das kann für viele einen ungeheuren Spaß bedeuten, und den darf man niemandem absprechen.
- Die große Mehrheit der „großen“ Marken bietet nun mal passive Lautsprecher an. Aktive Konzepte sind – wenn auch zunehmend von der HiFi Presse beachtet – noch die Ausnahme. Wer sich eine gewisse „Sicherheit“ in Bezug auf die „Mehrheitsfähigkeit“ der Marke erkaufen will, ist mit einem passiven Lautsprecher besser bedient.
- Es gibt eine große Anzahl sehr günstiger passiver Lautsprecher, und sehr günstige Verstärker und Quellgeräte dazu. Wer nur Geld sparen will und meist nur hört, „was so im Radio läuft“, ist damit gut beraten. Nur muss er seine Ansprüche an Musikwiedergabe drastisch zurückfahren, sofern überhaupt welche bestehen.
Warum für mich keine passiven Konzepte infrage kommen
Wer die Infos zu meinem Hörraum liest oder meine Videos ansieht, der merkt sehr schnell, dass ich auf die perfekte Interaktion von Lautsprechern und Raum Wert lege. Und damit einher geht die unterschiedliche Positionierung von Lautsprecher-Komponenten an unterschiedlichen Positionen im Raum.
Neue Konzepte wie Trinnov WaveForming, die ganz neue Dimensionen für die Bass-Wiedergabe (auch ohne übermäßige passive Akustik) eröffnen, basieren ebenfalls darauf. Und solche Ansätze lassen sich passiv schlicht und ergreifend nicht umzusetzen, weil die digitale Steuerung der Delays fehlen würde.
Die Zukunft liegt aus meiner Sicht in Multi-Speaker-Layouts – auch für Stereo. Zumindest wenn man echtes High End betreiben will.
Trinnov Stereo Vorverstärker für 2.0, 2.1 oder 2.2 Setup
Trinnov AV-Vorverstärker Altitude mit 12 bis 48 Kanälen
Fragen an mich rund ums Thema Highend Audio, Lautsprecher und Raumakustik?
Alle Felder sind Pflichtfelder. Zu den Datenschutz-Bestimmungen